Pressemitteilung aus dem Augsburger Klimacamp am 04.04.2024

Nach Verurteilung zu Haftstrafe: Klimaaktivist*innen unternehmen erneut Aktion bei Regierung von Schwaben

„Lohwald-Rodung trotz laufender Gerichtsverfahren? Frech!“ Ein Banner mit dieser Aufschrift hatten Aktivist*innen und Unterstützer*innen des Augsburger Klimacamps im Oktober 2022 an der Fassade der Regierung von Schwaben angebracht [1-5] – und wurden für diese Kletteraktion wegen Hausfriedensbruch und übler Nachrede vom Landgericht Augsburg zu mehrwöchigen Haftstrafen verurteilt (Jugendarrest) [9-15]. Die dpa berichtete mehrmals. Am heutigen Donnerstagvormittag (4.4.2024) gab es nun eine neue Aktion, wieder unangemeldet, doch dieses Mal ausschließlich im Inneren des Gebäudes. Die Aktivist*innen kritisieren, dass die Regierung von Schwaben eine vorgezogene Bannwald-Rodung genehmigte, obwohl Bayerns höchstes Verwaltungsgericht noch mit der Rechtswidrigkeitsprüfung des Rodungsvorhabens beschäftigt war.

Die Aktivist*innen hatten bei ihrer neuen Aktion einen dicken Stapel Flyer dabei, die sie an geeigneten Wänden und Türen anbrachten, bevor sie von einer Mitarbeiterin unterbrochen wurden; weitere Flyer verschickten sie per Fax. Die Flyer adressieren Mitarbeiter*innen der Regierung von Schwaben und rufen sie dazu auf, zur Aufklärung der Rodung beizutragen und im Falle von Zweifeln an der Rechtmäßigkeit von Dienstanweisungen in Zukunft von ihrem Remonstrationsrecht Gebrauch zu machen. Dafür richteten sie ein öffentliches Portal für Informant*innen ein. Anders als Soldat*innen müssen Beamt*innen rechtswidrige Dienstanweisungen allerdings trotzdem ausführen, wenn der Vorgesetzte des Vorgesetzten sie nach Äußerung der Zweifel bestätigt.

Der Lohwald ist ein nach dem Bayerischen Waldgesetz rechtlich geschützter Bannwald bei Biberbach und Langweid. Art. 9 dieses Gesetzes setzt für Rodungsvorhaben bei Bannwäldern voraus, dass „zwingende Gründe des öffentlichen Wohls es erfordern“ [6]. Ein Interesse an der Rodung des Lohwalds hatten die angrenzenden Lech-Stahlwerke, die behaupteten, ihr Werksgelände vergrößern zu wollen. Mehr als ein Jahr später liegt die Rodungsfläche indes immer noch brach, wie eine Foto-Dokumentation von Fridays for Future Augsburg ergab [16]. Thomas Frey, der Regionalreferent des BUND Naturschutz, sprach in Bezug auf die Rodung damals von einer „perfiden Aktion“ und einer „Watschen für die engagierte Bürgerschaft“ [20].

Zum Zeitpunkt der Rodung war der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit einer Rechtswidrigkeitsprüfung des Rodungsvorhabens beschäftigt – und ist es noch [7,8]. Die an den Wald angrenzende Gemeinde Biberbach hatte nämlich, wie auch der BUND Naturschutz, eine Normenkontrollklage eingereicht. Diese Klagen entfalteten allerdings keinen einstweiligen Rechtsschutz, da die Rodung erst für den Oktober 2023, nach Abschluss gewisser artenschutzrechtlicher Maßnahmen, vorgesehen war und daher vermeintlich keine Eilbedürftigkeit bestand. Die Aktivist*innen kritisierten, dass die Regierung von Schwaben mit einer Ausnahmegenehmigung der vorgezogenen Rodung des Lohwalds Tür und Tor öffnete, ohne die Gemeinden darüber zu informieren, und sie so der Möglichkeit beraubte, einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen.

Quellen

[1] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg-land/augsburgmeitingen-klima-aktivisten-nehmen-regierung-von-schwaben-aufskorn-id64382891.html
[2] https://www.augsburg.tv/mediathek/video/aerger-um-protestermittlungen-gegen-augsburger-klimaaktivisten/
[3] https://www.sueddeutsche.de/bayern/augsburg-lech-stahlwerkeklimacamp-polizei-regierung-von-schwaben-1.5682862
[4] https://www.zeit.de/news/2022-10/27/ermittlungen-nachprotestaktion-bei-regierungsbehoerde
[5] https://www.daz-augsburg.de/90948-2/
[6] https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayWaldG/true
[7] https://web.archive.org/web/20221024160357/https://www.br.de/nachrichten/bayern/lech-stahlwerke-sorgen-mit-bannwald-rodung-fuer-kritik,TLBZdnV
[8] https://web.archive.org/web/20230227175157/https://www.br.de/nachrichten/bayern/bannwald-rodung-bei-stahlwerken-vor-gericht,TQRhKFH
[9] https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/ulm/klimaaktivist-protest-ulm-gefaengnis-100.html
[10] https://www.schwaebische.de/regional/oberschwaben/ravensburg/samuel-bosch-und-charlie-kiehne-rechtskraeftig-verurteilt-1986484
[11] https://www.schwaebische.de/regional/oberschwaben/vogt/klimaaktivist-samuel-bosch-muss-fuer-drei-wochen-in-jugendarrest-2344750
[12] https://www.suedkurier.de/region/bodenseekreis/bodenseekreis/nach-berufung-gericht-verurteilt-ravensburger-klimaaktivisten;art410936,11761080
[13] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/augsburg-klimaaktivisten-scheitern-mit-berufung-und-muessen-in-den-arrest-id68217581.html
[14] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/prozess-in-augsburg-klimaaktivisten-muessen-nach-abseil-aktion-in-arrest-id66971786.html
[15] https://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/642/richterinfehlt-die-politische-reife-8971.html
[16] https://www.lohwibleibt.de/fotoreportage_2023/
[17] https://www.schwaebische.de/regional/oberschwaben/ravensburg/klimaaktivist-samuel-bosch-tritt-haftstrafe-an-2367270
[18] https://filstalexpress.de/lokalnachrichten/166778/
[19] https://www.swp.de/lokales/goeppingen/klimaschuetzer-in-jugendarrestanstalt-_luecke-im-terminplan_-aktivist-samuel-bosch-hat-arrest-in-goeppingen-angetreten-73373989.html
[20] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg-land/meitingen-lechstahlwerke-roden-lohwald-bei-meitingen-trotz-anhaengiger-klagen-id64346931.html

Hinweise

  1. Fotos der aufgehängten Flyer zur freien Verwendung: https://www.speicherleck.de/iblech/stuff/.rvs3/
  2. Fotos der Kletteraktion vom Oktober 2022 zur freien Verwendung: https://www.speicherleck.de/iblech/stuff/.rvs2/
  3. Ausnahmegenehmigung der Regierung von Schwaben im Volltext: https://www.lohwibleibt.de/frech.pdf
  4. Öffentliches Informant*innenportal für Regierungsmitarbeiter: https://etherpad.wikimedia.org/p/Wieso-kam-es-zur-Hinwegsetzung-ueber-den-VGH
  5. Samuel Bosch (21), einer der Beteiligten an der Kletteraktion vom Oktober 2022, sitzt derzeit seine dreiwöchige Haft in der Jugendarrestanstalt Göppingen ab [17-19]. Voraussichtlich wird er am 10. April entlassen. Mit der Nennung seines vollen Namens ist er im Einklang mit früherer Berichterstattung einverstanden. Das Klimacamp Augsburg leitet Kontaktanfragen gerne an ihn weiter; sie erreichen Samuel mit einigen Tagen Verzögerung. Seine Mitstreiter*in Charlie Kiehne (21) saß die Haft bereits Ende Februar ab.
  6. Kolleg*innen der Regierung von Schwaben bei der Regierung von Oberbayern nutzten bereits ihr Remonstrationsrecht, um zu erreichen, rechtswidrige Dienstanweisungen nicht durchführen zu müssen. Dies lässt sich an nun veröffentlichten Akten präzise nachvollziehen. Details dazu stehen hier: https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/ich-habe-es-nicht-fuer-moeglich-gehalten-dass-ich-jemals-in-eine-solche-situation-komme-deutsche/
  7. Es ist möglich, dass es während Samuels Inhaftierung noch zu weiteren Aktionen bei der Regierung von Schwaben kommt.