Pressemitteilung vom Augsburger Klimacamp am 4. September 2020

Die ersten Erfolge aus dem Klimacamp

Seit nun über zwei Monaten campen Klimaaktivist*innen aus Augsburg und ganz Deutschland neben dem Augsburger Rathaus und protestieren für eine klimagerechte Stadt und gegen das Kohleausstiegsgesetz. Nun können sie von ersten kleinen Erfolgen und maßloser Enttäuschung berichten.

Vor 65 Tagen wurde das damals noch eher spärliche Klimacamp errichtet. Jetzt sieht es vor Ort schon ganz anders aus. Große Zelte, selbst gebaute Bänke, Hochbeete, Pavillons, bunte Flaggen und meinungsstarke Banner prägen nun den Fischmarkt. Doch nicht nur äußerlich hat sich seit Tag 1 viel verändert. Die Aktivist*innen kamen in den letzten zwei Monaten gezielt immer wieder in das Gespräch mit Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Die Resultate fielen sehr unterschiedlich aus. Während in der Gesellschaft und in der Wirtschaft die Gespräche positiv, zielorientiert mit viel Verständnis liefen, fiel bei den häufigen Gesprächen mit der CSU auf, dass viel von oben herab geredet wurde. Bei den Grünen ist überraschend, dass es teilweise am grundlegenden Fachwissen fehlte.

„Bei Gesprächen mit der Stadtregierung wurde deutlich, dass die CSU die Klimakrise nicht als echte Krise erkennt und die Grünen lange nicht so `grün´ sind wie es oft scheint. Zudem fehlt bei fast allen Parteien das nötige Fachwissen, um das Ausmaß und die Verantwortung ihrer Entscheidung zu verstehen und ihnen gerecht zu werden“, sagte Sarah Bauer (16) in einer Reflektionsrunde im Klimacamp.

Dennoch ist klar, dass vom Klimacamp aus weiterhin viele, auch wenn frustrierende, Gespräche geführt werden müssen. Die Motivation im Protestcamp besteht weiterhin, auch deshalb, weil es nichts anderes zu verlieren gibt als die eigene Zukunft. Bestärkt wird dies auch durch den spürbaren Rückhalt in nicht nur Augsburgs Gesellschaft und die anhaltende Berichterstattung.

Wie auch sonst in der Klimagerechtigkeitsbewegung ist die öffentliche Meinungskundgabe zentraler Teil der vielen Aktionen. Das Protestcamp hat seit dem ersten Tag die Aufmerksamkeit der Augsburger Bevölkerung und Politik, sodass seit 65 Tagen ein dauerhaften Diskurs über die notwendigen Maßnahmen zu Klimagerechtigkeit aufrecht gehalten wird. „Alle, die unseren Protest in dieser Form kritisieren, vergessen oft, dass ohne die langjährige konstante Arbeit der Aktivist*innen nicht über die Klimakrise diskutiert oder sie sogar vollständig in Verschwiegenheit geraten würde. Das heißt, dass die breite Masse und die Kritiker*innen ohne uns gar nicht über die Klimakrise und ihre Folgen aufgeklärt wären und jetzt, auch in Form von Kritik, nicht darüber nachdenken würden“, stellte Leon Ueberall (17) fest.

Ein kleiner Erfolg ist auch der gemeinsame Geschäftsordnungsänderungsantrag von FW, LINKE, ÖDP, SPD und V-Partei. Die jetzige Satzung des Stadtrats sieht vor, dass Anträge von Stadträt*innen prinzipiell drei Monate lang vertagt werden dürfen, bevor sie diskutiert werden müssen. Der Anderungsantrag möchte diese Frist für klimarelevante Anträge auf einen Monat reduzieren. „Die Idee zu diesem Änderungsantrag kam in einer Gesprächsrunde im Klimacamp auf. Er spiegelt wieder, dass die Klimakrise nicht auf unsere Bearbeitungsfristen wartet.“, freut sich Ueberall.

„Das alles können wir als kleine Erfolge sehen. Sie wird uns allerdings nicht weiter bringen, solange die Stadt Augsburg nicht versteht, wie groß das Ausmaß der Krise ist, dass Augsburg mit seinem jetzigen Handeln Teil des riesigen Problems ist und dass Augsburg lokal die Klimakrise mit aufhalten kann und muss“, empört sich Bauer.

Eines steht bei den Klimaaktivist*innen aus dem Protestcamp jedoch fest: Der friedliche Einsatz um die menschlichen Lebensgrundlagen muss weiter gehen.

„Das Protestcamp motiviert uns alle einzigartig, dennoch ist es traurig, dass ich und viele andere von weit her anreisen müssen, um der Stadt Augsburg bewusst zu machen, dass ihre Entscheidungen bundesweite und globale Auswirkungen haben werden. In Augsburg ist, wie in vielen anderen deutschen Städten, noch nicht das Verständnis für die eigene Beteiligung am aktuellen klimapolitischen Versagen vorhanden. Ich sehe in Augsburg allerdings viel nicht genutztes Potenzial, um Vorbild für andere Kommunen weltweit zu werden“, sagte Max Frank aus dem 200 km entfernten Eppingen.

Das Augsburger Klimacamp ist mittlerweile zum Vorbild für viele andere Städte geworden. Klimacamps sind in Dresden, Halle, Hamburg, und München bereits entstanden und in Bamberg, Lübeck, Nürnberg und Ulm in Planung.

Schlussbemerkung: Für die Zukunft sind zahlreiche Aktionen geplant.

  1. Mit dem Ende der Sommerpause beginnen wieder unsere Politiker*innengespräche. Wir möchten Einzelgespräche mit allen Stadträt*innen führen.
  2. Auch planen wir mehrere Aktionen, die noch mal auf das Thema Fahrradstadt hinweisen sollen. Am 11.9. werden wir von 7:00 Uhr bis 8:00 Uhr in der Früh wieder in der Hermanstraße einen Popup-Fahrradweg errichten — allerdings nicht wie die letzten drei Male nur die 50 Meter vor der Ampel, sondern bis fast ganz hinten zur Brücke. Möglicherweise machen wir zu Schulbeginn am Dienstag auch eine Aktion in der Hallstraße am Holbein-Gymnasium (die soll ja für Autos ausgebaut werden, anstatt dass sie verkehrsberuhigt wird). Eine Aktion zur Karlstraße ist auch in Planung. Ferner möchten wir gerne am 20.9. die Kidical Mass, die bunte Fahrraddemo für alle, ausrichten.
  3. Diverse Wissenschaftler*innen folgten unserer Einladung, ihre Forschung bei uns im Camp zu präsentieren. Dazu sind jeweils auch unsere Stadtpolitiker*innen geladen. Den Auftakt der neuen Vortragsreihe machte vor zwei Tagen Prof. Dr. Matthias Schmidt (Lehrstuhlinhaber Humangeographie und Transformationsforschung) zum Thema „Fluchtursache Klimawandel?“. Am heutigen Freitag stellen die beiden Autor*innen einer kürzlich veröffentlichten Studie ihre Arbeit vor: „Was kosten Lebensmittel wirklich?“. Am 15.9. wird Robert Kugler vom Naturwissenschaftlichen Verein Schwaben über Artenschutz referieren. Und am 22.9. oder 23.9. kommt eine Person vom Landesamt für Umwelt.
  4. Am 25.9. ist weltweiter Fridays-for-Future-Globalstreik, der erste nach der Corona-Zwangspause. In Augsburg wird es voraussichtlich um 17:00 Uhr auf dem Rathausplatz losgehen. Es wird eine Fahrraddemo, deren Route auch über die B17 verlaufen soll. Details sind gerade in Planung und in Abstimmung mit den relevanten Behörden.