Pressemitteilung vom Augsburger Klimacamp am 15. Dezember 2020

Ein Hoffnungsschimmer am Horizont – von Oberbürgermeisterin Weber persönlich auf den Weg gebrachte Stadtratsentscheidung

Gestern stellte Oberbürgermeisterin Weber ein von ihr persönlich auf den Weg gebrachtes Klimaschutzsofortprogramm vor [1]. Die Aktivist*innen des Augsburger Klimacamps begrüßen das Programm als einen Schritt hin zu einer klimagerechten Stadt, der eine Ausgangsbasis für weitere Entwicklungen darstellen und perspektivisch den Weg für einen Abbau des Camps ebnen kann. Dem Programm mangelt es aber an der Verabschiedung einer der Klimakrise angemessenen Zielsetzung und an dringend erforderlichen mutigen Maßnahmen, die alle hinlänglich bekannt sind.

In Punkt 1 der Beschlussvorlage bekennt sich zwar die Stadt erneut zu ihrer Verantwortung zum Pariser Klimaabkommen. „Das Programm gibt aber kein konkretes Restbudget an Treibhausgasemissionen an, das dieser Verantwortung gerecht werden würde“, kommentiert Klimacamperin Lara Sylla (16). Die aktuellen Klimaschutzziele Augsburgs sehen bereits 2025 eine Überschreitung des Budgets vor [2]. Viele der Punkte sind lediglich Prüfaufträge oder wenig konkret. „Zudem bringen gute Vorsätze allein leider nicht genug, wenn sie nicht mit mutigen und notwendigen Maßnahmen gestützt werden, wie sich schon beim Projekt der Fahrradstadt 2020 zeigte. Das Sofortprogramm stellt weder Verwaltungsstellen noch Haushaltsmittel in Aussicht, die zur Umsetzung benötigt werden.“

Die Pandemie erschwert die finanzielle Lage Augsburgs. „Dies ist jedoch der perfekte Zeitpunkt. Es werden große Konjunkturpakete geschnürt werden. Diese bieten die einzigartige Chance, die Wirtschaft und Gesellschaft in kürzestmöglicher Zeit klimafreundlich umzubauen“, ergänzt Syllas Mitstreiter Fabian Theenhaus (17). „Die Stadt muss über alle ihr verfügbaren Kanäle Druck auf das Land und den Bund ausüben, um diese zu geeigneten Weichenstellungen und Zuschüssen zu bewegen. Dazu gehören nicht nur der Bayerische und der Deutsche Städtetag, sondern auch der Weg über innerparteiliche Vernetzung und medienwirksame öffentliche Stellungnahmen“. In diese Richtung enthält der Beschlussvorschlag nichts.

Die Klimacamper*innen sind erfreut über Punkt 10 der Beschlussvorlage, den sie als Vorbereitung der Gründung eines repräsentativen Bürger*innenrats zur Klimapolitik deuten. „Von den täglichen Gesprächen mit Passant*innen sind wir überzeugt, dass Augsburgs Bevölkerung kluge Entscheidungen in Sachen Klimagerechtigkeit treffen könnte“, erklärt Theenhaus. Etwa empfahl in Frankreich ein solcher Rat – zufällig aus der Bevölkerung zusammengesetzt, von Expert*innen beraten und keinem Wiederwahldruck ausgesetzt – vermeintlich radikale Maßnahmen wie ein Tempolimit von 110 auf Autobahnen und ein Verbot von Inlandsflügen [3]. „Durch den repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt wird in solchen Bürger*innenräten sichergestellt, dass Klimaziele auf sozial gerechte Art und Weise umgesetzt werden und nicht etwa Maßnahmen getroffen werden, die ärmere Haushalte besonders belasten.“ Augsburgs Klimagerechtigkeitsbewegung, insbesondere die Initiative Extinction Rebellion, hatte einen solchen Rat schon lange gefordert.

„Auf der einen Seite ist die Beschlussvorlage ein großer Erfolg für Augsburg und die Klimagerechtigkeitsbewegung“, resümiert Klimacamperin Janika Pondorf (16). „Auf der anderen Seite reicht sie leider noch lange nicht aus, dass wir sagen könnten: ‚Um unsere klimatische Existenzgrundlage und die unserer Kinder müssen wir uns keine Sorgen mehr machen.‘ Darin liegt ja die ganze Tragik der Geschichte. Wir erwarten daher, dass die Stadtregierung der Klimakrise mit derselben Ernsthaftigkeit begegnet, mit der sie der Pandemie gegenübertritt.“

[1] https://ratsinfo.augsburg.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=10900 [2] https://augsburg.klimacamp.eu/co2-budget/ [3] https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-06/klimapolitik-frankreich-buergerrat-klimaschutz-gelbwesten-direkte-demokratie [4] https://www.erlangen.de/desktopdefault.aspx/tabid-1745/4659_read-38080/

Einzelanalyse

Punkt 1: Gut; wenig konkret, keine explizite Nennung eines Budgets.

Punkt 2: Die Verabschiedung eines angemessenen Augsburger Energiestandards wäre ein großer Schritt. Eine Beurteilung von Punkt 2b hängt aber vom Inhalt des in Aussicht gestellten Standards ab. Punkt 2a ist nicht neu, sondern in der Gründung des Klimabeirats enthalten. Punkt 2c ist ein reiner Prüfungsantrag. Punkt 2d ist gut.

Punkt 3: Die aktuellen Studienziele sind ungenügend, Augsburg würde bei ihrer Einhaltung das Augsburg zustehende CO2-Restbudget um das dreifache übersteigen. Eine Katastrophe! Sehr gut sind aber die in Aussicht gestellten sektoriellen Jahreszwischenziele, Steuerungsinstrumente zur Nachjustierung und öffentliche jährliche Bilanzierung. Das kürzlich im Landtag beschlossene „Bayerische Klimaschutzgesetz“ wurde etwa vielfach von wissenschaftlicher Seite kritisiert, diese Aspekte nicht zu enthalten und daher über den Status einer vagen Absichtserklärung nicht hinauszukommen. In dieser Hinsicht setzt die Beschlussvorlage der Verantwortungslosigkeit des Landtagsgesetzes also viel entgegen. Auch gut ist, dass auf soziale Gerechtigkeit und die langfristige statt kurzfristige Wirtschaft geachtet werden soll. All die aufgezählten positiven Besonderheiten von Punkt 3 wurden auf unseren Vorschlag in die Beschlussvorlage übernommen.

Punkte 4 und 5: Haben Potenzial, hängen stark von ihrer Umsetzung ab, könnten sinnvolles Werkzeug oder reine PR-Nummern sein.

Punkt 6: Die Verhandlungen laufen bereits.

Punkt 7: Mit jedem Tag, den die Stadtwerke Augsburg den im Graustrom enthaltenen Kohlestrom einkaufen, beteiligt sich Augsburg an der Top-1-Quelle an Klimazerstörung, den Kohlekraftwerken, und an der Zerstörung von Dörfern in Kohlerevieren, die neuen Kohlegruben weichen müssen. Die Stadtwerke müssen daher so schnell wie möglich aus der Kohleverstromung aussteigen. In Erlangen wurde am 26.11.2020 in einer historischen Stadtratssitzung beschlossen [4], dass die dortigen Stadtwerke ab Ende 2022 nur noch Ökostrom einkaufen sollen. Weil man vor Vertragsbruch zurückschreckt, ist eine noch schnellere Umstellung auch nicht möglich. Augsburg müsste so schnell wie möglich folgen. Auf Seite 8 der Beschlussvorlage findet sich aber nur die „beispielhafte Maßnahme“, das der Grundversorgungstarif auf Ökostrom umgestellt wird.

Punkt 8: Hat viel Potenzial. Momentan fehlt es Augsburgs Verwaltung erheblich an Stellen und Haushaltsmitteln, um alleine schon die (ungenügenden) bisherigen Klimaschutzziele erfüllen zu können. Etwa gibt es nur einen einzigen Radbeauftragten, und dieser steht in der Hierarchie an vierter Stelle. Hier könnte die Verwaltung nun angeben, welche Stellen sie in welchen Bereichen benötigt. In einer Folgeentscheidung könnten diese dann bewilligt werden.

Punkt 9: Viele der sich engagierenden Schüler*innen sind die ewige Vertröstung auf Gespräche, in denen die Wichtigkeit von Klimaschutz betont und das Engagement der Jugendlich gelobt wird, leid. Wir benötigen angemessene Ziele und wirksame Maßnahmen. Sofern Finanzmittel nicht ausreichen, ist deren Einwerbung mit größter Priorität zu verfolgen. Trotzdem hat ein geordnetes Dialogformat das Potenzial, dem am Maßstab des wissenschaftlich Nötigen viel zu langsam ablaufenden Prozess einer sozial-ökologischen Transformation sinnvoll zu begleiten. Wir freuen uns auf die weiteren Gespräche mit der Stadt.

Punkt 10: Sehr sehr gut!

Hinweis in Sachen Aberkennung des Versammlungsstatus

Das Ordnungsamt nahm gestern unser Angebot einer außergerichtlichen Lösung nicht an.